Risiken und Nebenwirkungen von Psychotherapie

Erst einmal: Psychotherapie kann heilsam, hilfreich und unterstützend sein! Es gibt mittlerweile viele Studien, die belegen, dass Psychotherapie wie ein Antidepressivum wirkt und im Körper "gute" Botenstoffe wie Serotonin und Dopamin ins Gleichgewicht bringt, Stresshormone wie Cortisol oder Adrenalin herunterregulieren kann und noch viele gute Dinge mehr bewirken kann. Und Traumatherapie senkt das Risiko, Stressfolgeeerkrankungen zu bekommen, auch das Risiko, an einer Demenz zu erkranken. Es kann also nur besser werden:)

Nur sollten Sie wissen, dass, vor allem, wenn Sie sich vielleicht noch in fast dauerhafter Dissoziation befinden, das Wahrnehmen von Gefühlen auch erst einmal heftig und ungewohnt sein kann. Es kann sein, dass Sie dafür Zeit brauchen, auch Auszeiten, die Sie, vor allem, wenn Sie arbeitstätig sind oder Familie haben, brauchen. Manchmal ist es gerade dann wichtig, sich die Auszeit in einer psychosomatischen Klinik zu nehmen oder in einer anderen Art, zum Beispiel einer Krankschreibung, Pause vom Alltag machen zu können.

Wenn dissoziative Barrieren fallen, können traumatische Erinnerungen mehr in den Vordergrund kommen. Daran arbeiten wir, und es gibt viele hilfreiche Dinge, die dabei helfen können. Wenn es um äußeren oder inneren Ausstieg geht, gibt es oft Erschrecken und Erkenntnis, das kann erst einmal sehr heftig für Sie sein. Deshalb sind gerade dann ein gutes und unterstützendes System im Außen - zusätzlich zur Psychotherapie - wichtig und oft sogar lebensnotwendig.

Sie können lernen, innerhalb Ihres Toleranzfensters zu bleiben und sich immer besser im Hier und Jetzt zu verankern. Das geht, und das braucht Zeit. Das kann manchmal hart sein, sich wie ein nie endender Marathon anfühlen. Aber wie beim Marathon suchen wir gemeinsam nach "Verschnaufpausen", nach Erholungszeiten für Sie, nach kleinen Etappenzielen, die Sie erreicht haben.

Jedoch ist es genau so wichtig, bevor Sie sich auf einen Langstreckenlauf begeben, was Sie erwartet, wie lange der Lauf werden kann. Manchmal ist genau jetzt noch nicht die Zeit für solch eine Therapie. Manchmal kann genau jetzt vielleicht erst einmal ein weniger herausforderndes Angebot wie eine PIA oder eine Selbsthilfegruppe helfen.

Wenn es sich um mehrere Selbstanteile handelt und Sie vielleicht auch schon eine Ahnung davon haben, dass Sie ein DIS - System sind, sollten Sie umso mehr noch einmal in sich hineinhorchen und die Frage stellen, ob jetzt der richtige Zeitpunkt für eine Traumatherapie ist.

Infos für PatientInnen

In der tiefenpsychologischen Therapie arbeiten wir gemeinsam einen aktuellen, die gegenwärtige Symptomatik auslösenden Konflikt heraus und bringen ihn in Verbindung mit Ihrer eigenen Lebensgeschichte, damit verbundenen  Gefühlen und Erfahrungen.

Als EMDR - Therapeutin bin ich es gewohnt, mit dem AIP - Modell (Modell der adaptiven Informationsverarbeitung) zu arbeiten, was eine hilfreiche Ergänzung und Bereicherung ist. Nach diesem Modell stehen alle gegenwärtig Symptome und Leidensdruck verursachenden Gefühle und Verhaltensweisen in Verbindung mit dysfunktional verarbeiteten, belastenden oder traumatischen Erinnerungen. Bei einer posttraumatischen Belastungsstörung sind ein oder mehrere traumatische Erfahrungen in der Vergangenheit unvollständig bearbeitet worden, bei Depressionen oder Angsterkrankungen bestehen Erinnerungsnetzwerke aus belastenden und stressverursachenden Erinnerungen. Chronische Schmerzen entstehen infolge unzureichend bearbeiteter, im Körpergedächtnis abgespeicherter Schmerzerinnerungen.

Für alle Gefühle und Verhaltensweisen gibt es einen Anfang in der Vergangenheit, alle negativen Denkmuster haben wir ja nicht so einfach direkt nach der Geburt mit auf die Welt genommen, sondern wir haben sie uns durch Erfahrungen angeeignet. Und das sind oft traumatische, tief sitzende Erfahrungen. Diese Erfahrungen sind immer noch mit Gefühlen verbunden, die uns unser Körper wiedergibt, hier spielen das Stammhirn und die Amygdala eine wichtige Rolle, hier kommt das autonome Nervensystem (Sympathikus und Parasympathikus) ins Spiel.
 
Von daher haben Sie viele Möglichkeiten, Ihre Symptome bessern: Einerseits, indem Sie Ihrem inneren Alarmsystem neue Impulse geben, mit dem Körper durch Achtsamkeitsübungen und Körperübungen ein Gefühl von Stabilität und Sicherheit in der Gegenwart einüben.
Und andererseits, wenn die Gegenwart stabil genug ist, die Knoten der Vergangenheit lösen, traumatische Erinnerungen, die zu negativen Gefühlen und Gedankenkreisläufen geführt haben, z.B. mit Hilfe von EMDR, bearbeiten.
 
Es gibt also viele Möglichkeiten.

Wir arbeiten ressourcenorientiert, und wenn die Gegenwart stabil genug ist, bearbeiten wir die immer noch Belastung verursachende Vergangenheit, um positive Veränderung in der Zukunft zu bewirken.

Auch mit Hilfe von EMDR können schlimme Erinnerungen zusammengesetzt werden und verarbeitet werden, um so tatsächlich zu Erinnerungen in der Vergangenheit werden zu können, die in der Gegenwart und in der Zukunft nichts Schlimmes mehr anrichten können.

Erklärvideo zum AiP - Modell

 

Traumatherapie besteht aus einem 3 - Phasen - Modell:

1) In der Stabilisierungsphase lernen wir uns kennen, und wenn Sie viel Traumastress haben, kann diese Phase auch sehr lange dauern. Es ist wichtig, dass wir eine stabile therapeutische Beziehung haben, wir werden Grounding - Techniken einüben, Ressourcen sammeln, Erklärungsmodelle besprechen, eine innere Landkarte erstellen, an der Alltagsstruktur arbeiten, an Selbstfürsorge arbeiten, Ihre kleinen oder großen Ziele erarbeiten, dazu gehören auch Diagnostik, Wochenprotokolle, Erarbeiten von äußerer Sicherheit, Umgang mit Gefühlen und Regulation von Gefühlen, Imaginationsübungen, bei DIS das Herstellen einer Kommunikation der ANP oder ANP´s mit EP´s, Umgang mit Triggern, schwierigen Ereignissen oder schwierigen Tagen.

2) In der Traumakonfrontationsphase werden wir noch Gegenwartsstress bereitende traumatische Ereignisse prozessieren, mit Hilfe der EMDR - Technik, der sog. BASK - Technik oder der Screen - Technik. Manchmal kann es lange dauern, bis Sie so viel innere und äußere Sicherheit und Gegenwartsorientierung haben, dass eine solche Traumakonfrontation möglich ist. Ihr Innen wird den Weg zeigen - manchmal ist gesundes Verdrängen gut, manchmal ist in die Vergangenheit schauen gut - aber: Mit einem sicheren Bein in der Gegenwart!

3) Die Integrationsphase beschäftigt sich mit dem Neu Bewerten und Neu Benennen der Gegenwart, mit dem Zurechtkommen mit einem besser integrierten Innen, dem Erhalten der neu gewonnenen Sichtweisen, inneren Stabilität und dem neuen Selbstbild und dem Abschied aus der Therapie.

Die ersten beiden Phasen sind nicht statisch, sondern dynamisch. Wenn wir beide festgestellt haben, dass Sie Ressourcen gut einsetzen und halten können, Sie sich zum größten Teil gut in der Gegenwart verankern können, Grounding - Techniken gut anwenden können und der Alltag weitestgehend funktioniert, können wir gemeinsame Traumakonfrontationsarbeit machen. Manchmal kann es sein, dass wir auch wieder zur Stabilisierungsphase zurückwechseln müssen, ein wenig vielleicht manchmal wie: Drei Schritte vor, zwei Schritte zurück.

Manchmal werden wir auch feststellen, dass es noch nicht an der Zeit für Traumakonfrontation ist, dass es viel mehr zur inneren und äußeren Stabilität beiträgt, wenn Sie sich in der Gegenwart verankern können, wenn nicht zu viel in die Vergangenheit geschaut und gefühlt wird. Gesundes Verdrängen ist oft genauso gut, manchmal sogar für die momentane Situation, in der Sie sich befinden, notwendig. Für den Blick in die Vergangenheit braucht es oft die richtige Zeit, und manchmal ist es einfach noch nicht an der Zeit. "Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht" (Afrikanisches Sprichwort).

Stellen Sie sich das vielleicht so ähnlich wie in einem Boot vor: Sie oder Ihre ANP´s sitzen am Steuer, und es sitzen - oft sehr viele - EP´s mit Ihnen in einem Boot. Alle sitzen in einem Boot. Es kann oft lange dauern, das erstmal allen klar zu machen. Denn es gibt unter Deck auch noch Kajüten, Unterdecks, manchmal dicke Klappen zwischen Deck und den Unterdecks.

Sie oder die ANP´s haben ein kleines oder großes Ziel vor Augen, darauf soll zugesteuert werden. Dabei ist es erst einmal wichtig, dass Sie sich, während Sie das Ruder weiter fest in der Hand haben, klar machen, wer da alles mit in einem Boot sitzt - alles frühere Selbstanteile von Ihnen. Und es ist wichtig, mit allen gemeinsam zu erarbeiten, dass das Boot stabil im Wasser ist, wenn zu viel durcheinandergepurzelt wird oder versucht wird, sogar das Steuer vorne zu übernehmen, gerät das Boot immer wieder ins Wanken.

Und Sie selbst sind für das Steuern des Bootes verantwortlich, Sie müssen es durch die Wirren des Alltags steuern. Das kann oft lange dauern, das allen zu kommunizieren, auch, die Bedürfnisse, die Sorgen und den Stress aller, die da mit im Boot sind, wahrzunehmen und miteinander zu verhandeln. Dabei kann ich als Therapeutin oft die Vermittlungsrolle übernehmen. Alle sind wichtig, alle sollen gehört und gesehen werden. Alle im Boot brauchen die sichere Gewissheit, dass es vorbei ist, dass die äußere Gegenwart frei von Gefahren ist, dass es ein Innen und Außen gibt, und manche müssen erst die Erfahrung machen, dass es eine Gegenwart gibt, was Gegenwart überhaupt ist, und dass es noch andere innere Selbstzustände und Selbstanteile gibt.

Erst dann ist, sollten Selbstanteile in Traumakreiseln festsitzen, Traumaarbeit möglich, achtsam und vorsichtig, Grenzen aller wahrend.

Sollten Sie eine DIS haben, dann ist der unten stehende Link für Sie hilfreich, damit Sie sich ein Bild von der Vorgehensweise in der therapeutischen Arbeit machen können.

https://www.degpt.de/archiv/upload/DeGPT-Dateien/QA%20Psychotraumatologie_annex2.pdf

 

Wenn bei Ihnen Selbstschädigung und Suizidalität eine Rolle spielt, so haben wir, wenn wir einen Therapievertrag miteinander eingehen, einen klar geregelten Anti - Suizid - Vertrag.